Stellungnahme zur Erstattung von Homöopathie durch die Gesetzliche Krankenversicherung

Die aktuelle Diskussion über die Erstattung von Homöopathie durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus gerückt. Insbesondere die Forderung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nach Sparmaßnahmen, darunter die Reduzierung der Ausgaben für Homöopathie, wirft Fragen nach der Effektivität und Wirtschaftlichkeit dieser Therapieform auf. Die vorliegende Stellungnahme untersucht die Sachlage und zieht Schlussfolgerungen auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie ökonomischer Überlegungen.

Ausgaben der GKV für Homöopathie

Zunächst ist festzuhalten, dass die Ausgaben der GKV für Homöopathie im Vergleich zu den Gesamtausgaben äußerst gering sind. Im Jahr 2022 betrugen die Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen 289 Milliarden Euro, wovon lediglich ein Bruchteil, nämlich 6,6 Millionen Euro, für Homöopathika aufgewendet wurde. Diese Ausgaben machen nur einen minimalen Anteil von 0,013% der Arzneimittelausgaben aus.[1][2]

Evidenz aus Kosteneffizienzstudien zur Homöopathie

  • 2006 stellte ein umfassender wissenschaftlicher Bericht im Auftrag der Schweizer Regierung fest:  Homöopathie ist nicht nur wirksam und sicher, sondern auch wirtschaftlich, insbesondere im Vergleich zu konventionellen Therapien.[3]
  • Eine Studie aus 2014 wertete die Daten von 1,5 Millionen Versicherten in den Niederlanden aus. Sie fand heraus, dass es Patienten mit naturheilkundlicher Therapie mindestens genauso gut geht wie mit rein konventioneller. Dabei wurde mit Homöopathie weniger Geld ausgegeben als ohne.[4]
  • 2014 wurde die Kosteneffizienz der Homöopathie in einer systematischen Übersichtsarbeit untersucht: In acht von 14 Studien fanden die Forscher gesundheitliche Verbesserungen, die denen der ausschließlich schulmedizinisch behandelten Kontrollgruppe ähnelten, und die Kosten waren geringer.[5]
  • Eine Untersuchung aus 2015 verglich rein schulmedizinisch und primär homöopathisch arbeitende Arztpraxen in Frankreich. Sie konstatierte 20% geringere Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung in der Homöopathiegruppe.[6]
  • Eine Studie mit 2.524 Versicherten der Techniker-Krankenkasse aus 2020 belegte die Kosteneffektivität der Homöopathie bei Kopfschmerzen, Neurodermitis und Depressionen.[7]
  • 2022 veröffentlichte die deutsche Securvita Daten von 15.700 Versicherten, die sich mindestens drei Jahre lang regelmäßig homöopathisch behandeln ließen. Es „zeigte sich bei fast allen untersuchten Indikationen und Gruppen eine positive Entwicklung im Sinne von sinkender Morbidität und abnehmender Inanspruchnahme von Krankenversicherungsleistungen“ im Vergleich zu ausschließlich schulmedizinisch Behandelten.[8]

Vergleich mit konventionellen Therapien

In der Diskussion um Evidenzbasierte Medizin und Naturheilkunde wird häufig ein scheinbar klares Gegensatzverhältnis zwischen wissenschaftlich fundierten, konventionellen Therapien und als esoterisch betrachteten Naturheilverfahren konstruiert. Diese Schwarz-Weiß-Malerei wird jedoch der komplexen Realität nicht gerecht. Zahlreiche Studien zeigen, dass nicht alle konventionellen Therapien den versprochenen Nutzen bringen:

  • Viele Chemotherapien sind von zweifelhafter Wirksamkeit, dafür aber sehr teuer.[9][10][11]
  • Manche Psychopharmaka wirken vermutlich nicht über Placebo hinaus und erhöhen das Suizidrisiko.[12][13][14]
  • Protonenpumpeninhibitoren helfen laut Studienlage zwar nicht gegen laryngo-pharyngealen Reflux, sind aber mit einem erhöhten Risiko für Magenkrebs verbunden.[15]

Diese Liste einzelner Medikamentengruppen mit fraglicher Evidenzgrundlage ließe sich ohne Weiteres verlängern. Aber auch eine Analyse der wissenschaftlichen Fundierung ganzer medizinischer Fachgebiete offenbart Lücken: Nur ein geringer Prozentsatz der Behandlungsleitlinien in Bereichen wie der Herz-Kreislaufmedizin und Onkologie basiert auf methodisch hochwertigen Studien.[16][17]

Lediglich 4 Prozent aller konventionellen Therapien sind so gut untersucht, dass es keiner weiteren Forschung bedarf. Bei der Hälfte aller medizinischen Interventionen, die nach Cochrane-Standards evaluiert wurden, ist nicht klar ist, ob sie eher nützlich oder eher schädlich sind.[18]

Andere Bereiche des Gesundheitssystems weisen unabhängig vom Nachweis ihres Nutzens erhebliche Verschwendung und Kostensteigerungen auf. So ist etwa der Preis für das teuerste Arzneimittel der Welt, Zolgensma, mit 2,6 Millionen Euro pro Behandlung extrem hoch, wird aber dennoch GKV erstattet.[19] Auch die enormen Ausgaben für Corona-Impfstoffe und die Vernichtung nicht genutzter Impfdosen werfen drängende Fragen nach der Wirtschaftlichkeit auf.[20][21]

Fazit

Insgesamt zeigt sich, dass die Diskussion um die Erstattung von Homöopathie durch die GKV auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse und ökonomische Überlegungen gestützt werden sollte. Die vorliegenden Studien belegen die Wirksamkeit und Kosteneffizienz der Homöopathie im Vergleich zu konventionellen Therapien. Eine Streichung der Erstattung aufgrund nicht wissenschaftlich begründeter Motive würde den Interessen der Bevölkerung und den Anforderungen an ein effizientes Gesundheitssystem widersprechen.


[1] Vorläufige Finanzergebnisse der GKV für das Jahr 2022. Bundesministerium für Gesundheit. Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/vorlaeufige-finanzergebnisse-der-gkv-fuer-das-jahr-2022-10-03-2022.html

[2] Informationen zu den Ausgaben der GKV für Homöopathie. Verfügbar unter: https://tinyurl.com/2unnhrhf

[3] Bornhöft, G. & Matthiessen, P.F. (Hrsg.) (2006): Homöopathie in der Krankenversorgung – Wirksamkeit, Nutzen, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Frankfurt am Main: VAS, 2006.

[4] Baars, E. W., & Kooreman, P. (2014). A 6-year comparative economic evaluation of healthcare costs and mortality rates of Dutch patients from conventional and CAM GPs. BMJ Open, 4, e005332.

[5] Viksveen P, Dymitr Z, Simoens S. Economic evaluations of homeopathy: a review. Eur J Health Econ. 2014 Mar;15(2):157-74.

[6] Colas A, Danno K, Tabar C, Ehreth J, Duru G (2015): Economic impact of homeopathic practice in general medicine in France. Health Econ Rev. 2015; 5: 18.

[7] Kass B, Icke K, Witt CM, Reinhold T. Effectiveness and cost-effectiveness of treatment with additional enrollment to a homeopathic integrated care contract in Germany. BMC Health Serv Res. 2020 Sep 15;20(1):872.

[8] Daten von 15.700 Versicherten der deutschen Securvita. Verfügbar unter: https://www.securvita.de/fileadmin/inhalt/dokumente/auszuege_SECURVITAL/202004/securvital_0420_6-11.pdf

[9] Wise PH: Cancer drugs, survival, and ethics. BMJ 2016;355:i5792

[10] Morgan G, Ward R, Barton M. The contribution of cytotoxic chemotherapy to 5-year survival in adult malignancies. Clin Oncol (R Coll Radiol). 2004 Dec;16(8):549-60. doi: 10.1016/j.clon.2004.06.007. PMID: 15630849.

[11] Davis C: Availability of evidence of benefits on overall survival and quality of life of cancer drugs approved by European Medicines Agency: retrospective cohort study of drug approvals 2009-13. BMJ 2017;359:j4530

[12] Kirsch I, Deacon BJ, Huedo-Medina TB, Scoboria A, Moore TJ, Johnson BT. Initial severity and antidepressant benefits: a meta-analysis of data submitted to the Food and Drug Administration. PLoS Med. 2008 Feb;5(2):e45. doi: 10.1371/journal.pmed.0050045. PMID: 18303940; PMCID: PMC2253608.

[13] Hengartner MP, Plöderl M. Newer-Generation Antidepressants and Suicide Risk in Randomized Controlled Trials: A Re-Analysis of the FDA Database. Psychother Psychosom. 2019;88(4):247-248. doi: 10.1159/000501215. Epub 2019 Jun 24. PMID: 31234169.

[14] Hengartner MP, Plöderl M. Estimates of the minimal important difference to evaluate the clinical significance of antidepressants in the acute treatment of moderate-to-severe depression. BMJ Evid Based Med. 2022 Apr;27(2):69-73. doi: 10.1136/bmjebm-2020-111600. Epub 2021 Feb 16. PMID: 33593736.

[15] Liu C, Wang H, Liu K. Meta-analysis of the efficacy of proton pump inhibitors for the symptoms of laryngopharyngeal reflux. Braz J Med Biol Res. 2016 Jul 4;49(7):e5149. doi: 10.1590/1414-431X20165149. PMID: 27383119; PMCID: PMC4942224.

[16] Tricoci P, Allen JM, Kramer JM, Califf RM, Smith SC Jr. Scientific evidence underlying the ACC/AHA clinical practice guidelines. JAMA. 2009 Feb 25;301(8):831-41. doi: 10.1001/jama.2009.205. Erratum in: JAMA. 2009 Apr 15;301(15):1544. PMID: 19244190.

[17] Poonacha TK, Go RS. Level of scientific evidence underlying recommendations arising from the National Comprehensive Cancer Network clinical practice guidelines. J Clin Oncol. 2011 Jan 10;29(2):186-91. doi: 10.1200/JCO.2010.31.6414. Epub 2010 Dec 13. PMID: 21149653.

[18] El Dib RP, Atallah AN, Andriolo RB. Mapping the Cochrane evidence for decision making in health care. J Eval Clin Pract. 2007 Aug;13(4):689-92. doi: 10.1111/j.1365-2753.2007.00886.x. PMID: 17683315.

[19] Informationen zum teuersten Arzneimittel der Welt. Verfügbar unter: https://www.bkk-dachverband.de/versorgung/arzneimittel/das-teuerste-arzneimittel-der-welt-ist-nun-in-deutschland-auf-dem-markt

[20] Informationen zu den Kosten und Ausgaben für Corona-Impfstoffe. Verfügbar unter: https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/corona-impfstoff-kosten-101.html

[21] Informationen zur Vernichtung nicht genutzter Corona-Impfdosen. Verfügbar unter: https://praxistipps.focus.de/corona-impfdosen-wie-viele-millionen-vernichtet-werden-was-das-kostet_157270