EuGH hat entschieden, dass Registrierungen keine Dosierungsangaben mehr machen dürfen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 23. April 2020 in den Rechtssachen C‑101/19 und C‑102/19 entschieden, dass die Richtlinie 2001/83/EG (Gemeinschaftskodex) dahingehend auszulegen ist, dass es ihr zuwiderläuft, wenn die Packungsbeilage gemäß Art. 69 der Richtlinie andere als die in dieser Bestimmung aufgeführten Informationen enthält, insbesondere eine Dosierungsanleitung für von dieser Bestimmung erfasste homöopathische Arzneimittel.
Hintergrund des Verfahrens war ein Registrierungsantrag für zwei homöopathische Arzneimittels eines pharmazeutischen Unternehmers aus Deutschland. Die Packungsbeilagen sollten die Angabe enthalten: „Falls nicht anders verordnet, ist die übliche Anwendung: [Name des Arzneimittels] sollte 1- bis 2-mal täglich aufgetragen werden. Sie sollten die Creme dünn auftragen und leicht einmassieren. Auch homöopathische Arzneimittel sollten ohne ärztlichen Rat nicht über längere Zeit angewendet werden.“ Die Registrierungsbescheide des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) enthielten die Auflage, die Dosierungsanleitung in den Packungsbeilagen zu streichen. Gegen diese Auflage hatte das Unternehmen geklagt und ist sowohl erst als auch zweitinstanzlich unterlegen (Verwaltungsgericht (VG) Köln v. 2. Juni 2015, Az: 7 K 4835/13 und Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen v. 5. Dezember 2016, Az: 13 A 1721/15). Im Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG v. 6. November 2018, Az.: 3 C 3/17) hat dieses das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende gleichlautende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: Enthält Art. 69 der Richtlinie 2001/83 abschließende Vorgaben zum zulässigen Inhalt der Packungsbeilage der in Art. 14 Abs. 1 genannten Arzneimittel oder dürfen weitere Informationen im Sinne des Art. 62 der Richtlinie 2001/83 aufgenommen werden? Können Angaben zur Dosierung für die in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 genannten Arzneimittel Informationen sein, die für den Patienten wichtig im Sinne des Art. 62 der Richtlinie 2001/83 sind? Der EuGH beantwortet beide Vorlagefragen zusammen und insgesamt recht kurz. Die Argumentation liegt auf einer Linie mit den Ausführungen der Vorinstanzen. Artikel 69 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 betreffe nur homöopathische Arzneimittel und sehe vor, dass das Etikett und gegebenenfalls die Packungsbeilage ausschließlich mit verschiedenen in diesem Artikel aufgeführten Hinweisen zu versehen sind. Aus der ebenfalls in Art. 69 Abs. 1 enthaltenen Wendung „sind ausschließlich mit den folgenden Hinweisen zu versehen“, ergebe sich, dass bei vorgeschriebener Packungsbeilage alle in dieser Bestimmung aufgeführten Angaben zwingend in der Packungsbeilage erscheinen müssten und dass diesen keine weitere Angabe hinzugefügt werden dürfe, vorbehaltlich der in Art. 69 Abs. 2 der Richtlinie abschließend aufgeführten Angaben, wenn der betreffende Mitgliedstaat dies verlange. Die Dosierungsanleitung gehöre nicht zu den in Art. 69 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/83 aufgeführten Angaben. Daher dürfe in der Packungsbeilage für homöopathische Arzneimittel zusätzlich zu den in Art. 69 Abs. 1 und 2 der Richtlinie aufgeführten Angaben keine Dosierungsanleitung erscheinen, und zwar weder unmittelbar noch mittelbar nach Art. 62 dieser Richtlinie, der die Hinzufügung bestimmter fakultativer Informationen erlaube. Schließlich verweist der EuGH noch auf das Interesse am Schutz der öffentlichen Gesundheit, das nach dem zweiten Erwägungsgrund dieser Richtlinie das wesentliche Ziel aller Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Herstellung, des Vertriebs oder der Verwendung von Arzneimitteln sei. Bei den Arzneimitteln, die einer Genehmigung für das Inverkehrbringen bedürften, seien nämlich nach Art. 8 Abs. 3 Buchst. e und f der Richtlinie 2001/83 Angaben zur Dosierung und zu den Heilanzeigen erforderlich, anders als bei den homöopathischen Arzneimitteln, die nur einem besonderen vereinfachten Registrierungsverfahren unterliegen. Würde bei Letzteren zugelassen, dass die Packungsbeilage neben den in Art. 69 der Richtlinie 2001/83 aufgeführten Angaben eine Dosierungsanleitung enthielte, hätte dies zur Folge, dass die Abgrenzung zwischen diesen Arzneimitteln und solchen, für die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erforderlich ist, unscharf, unsicher und widersprüchlich würde und letztlich die Benutzer über die Merkmale des betreffenden Arzneimittels irregeführt werden könnten. Wie auch in den Entscheidungen des VG und OVG hat sich der EuGH im Wesentlichen auf den Wortlaut der entsprechenden Rechtsgrundlage – hier Art. 69 der Richtlinie – gestützt. Die Ausführungen des Gerichts zu einer möglichen Irreführung und einer unscharfen Abgrenzung zwischen zulassungspflichtigen und homöopathischen Arzneimitteln im Falle einer Dosierungsanleitung sind dagegen nicht sehr überzeugend.

Hier der Link zum Urteil:

http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?docid=225522&text=&dir=&doclang=DE&part=1&occ=first&mode=lst&pageIndex=0&cid=4156356