Antrag G28 der SPD vom 25.05.2024 schaden der Therapiefreiheit und der individuellen Behandlungswahl

Beim Bundesparteitag der SPD am 27.-29. Juni 2025 soll ein Antrag (S. 184) verabschiedet werden, der vorsieht, homöopathischen Mitteln den Status als Arzneimittel abzuerkennen und sie mit Warnhinweisen zu kennzeichnen. Dies stellt einen Angriff auf die Therapiefreiheit, die individuelle Behandlungswahl und den respektvollen Umgang im Gesundheitswesen dar.

Die Fakom zeigt sich besorgt über die Forderungen der SPD, welche im deutlichen Widerspruch zu den Grundgedanken der 78. Weltgesundheitskonferenz der WHO stehen. Hier besteht Klärungs- und Diskussionsbedarf!

Worum geht es und was ist der Inhalt des Antrags:

„Dass sich die sozialdemokratischen Abgeordneten im Bundestag und der Gesundheitsminister dafür einsetzen, dass homöopathischen Mitteln zukünftig der Status von Arzneimitteln entzogen wird und diese für das Erlangen des Arzneimittelstatus dieselben exakten Nachweise über Wirksamkeit erbringen müssen wie Mittel der evidenzbasierten Medizin. Darüber hinaus sollen sich die genannten Stellen dafür einsetzen, dass homöopathische Mittel nicht länger apothekenpflichtig sind“ (1).

Der SPD-Antrag G28 (auch bekannt als Antrag 148/I 2024 beim SPD-Landesparteitag Berlin am 25. Mai 2024) fordert, homöopathischen Mitteln den Arzneimittel-Status zu entziehen. Konkret heißt das:

  • Homöopathika müssen künftig den gleichen Wirksamkeitsnachweis erbringen wie konventionelle Medikamente.
  • Sie sollen nicht mehr apothekenpflichtig sein.

Es stellt sich die Frage: Ist das sinnvoll – besonders im Sinne der Therapiefreiheit? Hierzu einige zusammengetragene Fakten:

  1. Evidenzbasierte Medizin vs. Placebo

Karl Lauterbach (SPD) fordert, dass die Kassen nur noch evidenzbasierte, wirksame Leistungen übernehmen – Homöopathie falle nicht darunter (2).

Studien und Experten (z. B. GBA) sehen keinen Nachweis über Placebo hinaus (3).

  1. Therapiefreiheit vs. Solidarsystem

Gegner argumentieren, die Streichung würde Therapie- und Berufsfreiheit einschränken – vor allem für Heilpraktiker und homöopathisch praktizierende Ärzte (4).

Der Deutsche Ärztetag warnte ebenfalls vor einem „Berufsverbot“ durch Streichung aus der GOÄ (5).

  1. Kosten-Nutzen fürs Gesundheitssystem

Die Ausgaben der Kassen für Homöopathie sind gering (<0,03 % der Gesundheitsausgaben), Einsparungen also kaum spürbar (6).

Manche argumentieren, die Streichung könne dazu führen, dass stattdessen teurere oder riskantere Behandlungen in Anspruch genommen werden (7).

Wir wollen wissen: Greift der SPD-Antrag G28 auch für Komplexmittel?

Ja. Der Antrag fordert:

  • Streichung des Arzneimittelstatus für alle homöopathischen Präparate – unabhängig davon, ob Einzel- oder Komplexmittel.
  • Verpflichtung zum Wirksamkeitsnachweis nach § 25 AMG, wie bei jedem anderen Medikament.

Konsequenz: Produkte ohne diesen Nachweis dürften nicht mehr als Arzneimittel deklariert oder verkauft werden – auch nicht apothekenpflichtig.

Warum ist dies gesundheitlich und wirtschaftlich brisant?

Die Komplex-Homöopathie ist auch wirtschaftlich relevant – sie macht den Großteil des Umsatzes mit homöopathischen Mitteln aus. Die deutschen Hersteller und Standorte sind direkt betroffen. Das Paradoxe: Die Komplexmittel sollen aus dem Leistungskatalog und der Apotheke verdrängt werden, aber weiterhin die gleichen Wirknachweise erbringen. Das können viele Hersteller finanziell und bürokratisch nicht leisten. Homöopathika sind in Deutschland bisher sehr gut für die Patienten in der Apothekenversorgung verfügbar. Dies würde sich mit dem Antrag zusätzlich einschränken. Für den pharmazeutischen Mittelstand und die kranken Menschen ist das ein gemeinsames Thema.

Durch den Antrag G28 entstehen deutliche Nachteile für die passende Therapiewahl des kranken Menschen:

  • Weniger individuelle Wahlfreiheit: Patienten können nicht mehr zwischen Schulmedizin und Homöopathie auf Kassenkosten wählen. Diese Leistungen sollen auch sozial schwache Menschen künftig selbst tragen.
  • Höhere Eigenkosten: Wer Homöopathie weiterhin nutzen möchte, muss sie selbst bezahlen – was soziale Ungleichheit verstärken kann.
  • Wegfall vertrauter Behandlungskonzepte: Patienten erleben Komplex-Homöopathie als hilfreich, diese Behandlung fällt bei Umsetzung des Antrags im Kassenkontext weg.
  • Einschränkungen der Therapiefreiheit können das Vertrauensverhältnis zu homöopathisch arbeitenden Ärzten oder Heilpraktikern belasten und könnten die Therapie- und Berufsfreiheit einschränken. Dies entspricht nicht dem Grundgedanken, welchen die WHO auf der 78. Weltgesundheitsversammlung verabschiedet hat.
  • Gefahr von Therapieabbruch: Patienten, die alternative Verfahren bevorzugen, könnten sich ggf. ganz aus dem medizinischen System zurückziehen. Dies kann schwere gesundheitliche Konsequenzen bedeuten.

Was wurde auf der 78. Weltgesundheitsversammlung der WHO als Ziele gesetzt?

Widersprüche werden deutlich:

Weil’s hilft: Die WHO Global Strategy für Traditionelle, Komplementäre und Integrative Medizin (TCIM) 2025–2034 wurde im Mai 2025 auf der 78. Weltgesundheitsversammlung verabschiedet. Sie verfolgt vier Hauptziele:

  • Stärkung des Beitrags traditioneller Medizin zur globalen Gesundheit und universellen Gesundheitsversorgung.
  • Förderung von Forschung und Evidenzbasierung traditioneller und komplementärer Verfahren.
  • Entwicklung angemessener Regulierungssysteme für Produkte, Praktiken und Ausübende.
  • Schrittweise Integration dieser Ansätze in formelle Gesundheitssysteme (8).

Der SPD-Antrag G28 steht für uns im Widerspruch zur von der WHO verabschiedeten Strategie für Traditionelle Medizin 2025–2034.

Ein bedeutsamer Schritt für eine weltweite Gesundheitswende: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat auf ihrer 78. Weltgesundheitsversammlung vergangene Woche die neue Strategie für Traditionelle Medizin 2025–2034 verabschiedet. Damit rückt sie integrative, ganzheitliche und kultursensible Heilweisen weltweit ins Zentrum gesundheitspolitischer Zukunftsplanung.

Was heißt das konkret?

Die WHO erkennt an, dass traditionelle und komplementäre Medizin nicht nur eine kulturelle Realität sind, sondern eine zentrale Rolle dabei spielen können, Gesundheit für alle zu ermöglichen. Die Strategie verfolgt vier große Ziele: Sie will die Evidenzlage verbessern, regulative Sicherheit schaffen, die Qualität und Zugänglichkeit traditioneller Verfahren fördern – und vor allem: den Menschen in seiner Ganzheit sehen und stärken.

Zu den neun Leitprinzipien gehören unter anderem:

  • Menschenzentrierung & Gesundheitsgerechtigkeit
  • Ganzheitlichkeit & Nachhaltigkeit
  • kulturelle Sensibilität & indigene Gesundheitsrechte
  • Stärkung der Selbstwirksamkeit & Gesundheitskompetenz

Zur WHO-Strategie (englisch)

Die internationale Strategie der WHO ist eine Einladung – an Politik, Fachwelt und Gesellschaft – neue Wege zu gehen und bestärkt uns gleichzeitig in unserer Vision eines Gesundheitssystems, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt (9).

Was bedeutet die WHO-Strategie für die Komplex-Homöopathie?

  1. Offizielle Anerkennung, aber nur „evidence-informed“
    Die Homöopathie ist Teil der TCIM, wird also als relevante Disziplin betrachtet. Zugleich wird ausdrücklich betont, dass nur wissenschaftlich belegte Anwendungen unterstützt werden – „evidence-informed“, nicht evidenzfrei (10).
  2. Erhöhte Forschung & Evaluation
    Die Strategie fordert genauere Untersuchungen zu Wirksamkeit und Sicherheit von TCIM-Verfahren. Homöopathieunterstützer können Anträge auf Förderung klinischer Studien stellen – falls sie evidenz- und qualitätsorientiert arbeiten (11).

Hinweis: Es bestehen bereits sehr solide Forschungsgrundlagen. Diese können hier eingesehen werden: https://www.fakom.de/was-ist-komplexhomoeopathie/

  1. Regulierung & Qualitätskontrolle
    Produkte wie homöopathische Globuli müssen künftig Standards entsprechen – hinsichtlich Qualität, Sicherheit, Verpackung und Klarheit über mögliche Risiken oder fehlende Wirkung (12).
  2. Integration ins Gesundheitssystem
    In nationalen Systemen – wie es in Indien durch AYUSH der Fall ist – könnten homöopathische Angebote formal eingebunden werden, z. B. in Gesundheitszentren oder im Versicherungskatalog (13). Deutschland plant derzeit keine solche Systemintegration auf nationaler Ebene.

Fördert die neue WHO-Strategie Komplex-Homöopathie?

Ja, in dem Sinne, dass Homöopathie als Teil der TCIM weiterhin international anerkannt und in Politik und Forschung begleitet wird.

Doch entscheidend ist, dass nur evidenzbasierte Verfahren unterstützt werden.

Produkt- & Praxis-Sicherheit werden durch Regulierung gestärkt.

Integration in nationale Gesundheitssysteme bleibt einzelnen Ländern vorbehalten – mit Indien als prominentem Vorbild, aber nicht weltweit verbindlich – also nicht zwingend auch in Deutschland.

Die neue WHO-Strategie signalisiert eine professionalisierte Öffnung für Homöopathie wie andere Formen der traditionellen Medizin. Sie ermutigt, im Rahmen strenger wissenschaftlicher Standards weiterzuforschen und reguliert einzusetzen.

Die Fakom lehnt den Antrag der SPD in dieser Form ab, da er der Intention sowie den Beschlüssen der WHO-Strategie auf der 78. Weltgesundheitsversammlung widerspricht und die therapeutische Wahlfreiheit des kranken Menschen einschränkt.

Mehr Informationen? Komplex-Homöopathie ist evident:

Deutsch: https://www.fakom.de/was-ist-komplexhomoeopathie/

Englisch: https://www.fakom.de/wp-content/uploads/2023/07/What-is-Complex-Homeopathy-FAKOM.pdf

Interdisziplinär: Fachtagungpapier der Fakom e.V. 21.02-23.02.2025 Download

Quellen:

(1) https: //parteitag.spd.berlin/cvtx_antrag/homoeopathie-endlich-ehrlich-einordnen/

(2) eddit.com+8tagesspiegel.de+8apotheke-adhoc.de+8

(3) tagesspiegel.de

(4) reddit.com+15medical-tribune.de+15apotheke-adhoc.de+15

(5) heilpraktikerverband.de+2aerztezeitung.de+2apotheke-adhoc.de+2

(6) abgeordnetenwatch.de+7medical-tribune.de+7reddit.com+7

(7) eddit.com+2medical-tribune.de+2reddit.com+2

(8) en.wikipedia.org+13cam-europe.eu+13wctcim.cabsin.org.br+13wctcim.cabsin.org.br+1gesundevielfalt.org+1

(9) https://www.weils-hilft.de/informieren/altes-wissen-neue-wege-who-strategie-fuer-traditionelle-medizin

(10/11) wctcim.cabsin.org.br

(12) reddit.com

(13) reddit.com+7wctcim.cabsin.org.br+7government.economictimes.indiatimes.com+7reddit.com